Die Kunst der Objektiv-Entwicklung und Schwächen im Randbereich

Was im professionellen Broadcast-Bereich schon lange zum Standard avanciert, hält auch in der Videoüberwachung Einzug. Die ersten HD-SDI Kameras waren auf auf diversen Messen 2012 bereits zu sehen. Doch die höheren Auflösungen der Videoüberwachungskameras stellen auch die Objektiv Hersteller vor immer größere Herausforderungen.
Bei schlecht beschichteten Linsen gehen Detailinformationen meistens gleich am Anfang der Bildgebung unwiederbringlich verloren, und die immer kleiner werdenden Pixel wollen entsprechend aufgelöst werden. Erst dann wird die HD-Auflösung auch sinnvoll sein, und erst dann können auch die Vorteile wie digitales Zoomen effektiv genutzt werden.

Doch wo liegen die Unterschiede eines hochauflösenden optischen Systems zu den normalen Auflösungen? Prinzipiell ist die Technik immer die selbe. Sammellinsen erzeugen ein reelles Abbild eines realen Objekts. Das Problem: Objektive beziehungsweise optische Systeme sind grundsätzlich fehlerbehaftet. Ganz besonders Vario-Objektive sind im Prinzip meistens eine Kompromisslösung. Es wird aber eine gleich bleibende Abbildungsqualität über den gesamten Brennweitenbereich erwartet.

Wenn dann noch eine Tag/Nacht-Kamera zum Einsatz kommt und beispielsweise ein Parkplatz in der Dunkelheit mit IR-Licht beleuchtet ist, kommen weitere Anforderungen hinzu, wie sphärische Aberration.
Die Kunst der Objektiv-Entwicklung und Fertigung besteht darin, alle optischen Fehler auf ein Minimum zu reduzieren. Wenn man das Potenzial einer digitalen HD-SDI Kamera nutzt und sich zusätzlich digital in das Bild hineinzoomt, wird man schnell feststellen, dass im Randbereich des Bildes die Schwächen eines Objektives sichtbar werden. Im Zentrum ist eine hohe Auflösung noch relativ einfach zu erreichen. Doch die Qualitätsunterschiede der Objektiv Linsen sind an den Bildrändern besonders deutlich zu sehen. Die Ursache dieses Phänomens ist die sphärische Aberration. Die äußeren Lichtstrahlen treffen in einem anderen Winkel auf die Optik als die Lichtstrahlen im Zentrum. Entsprechend werden sie auch anders gebrochen, und die Lichtstrahlen treffen nicht mehr in einem Punkt sondern leicht gestreut auf den Sensor. Durch die Verwendung von asphärischen Elementen kann dieses Problem fast gänzlich reduziert werden.

Asphärische Linsen zeichnen sich durch einen veränderten Radius in den Randbereichen aus. Das Licht wird in einem anderen Winkel abgelenkt und trifft punktgenau und somit korrigiert auf den Sensor. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, unterschiedliche Materialien zu verwenden. Sogenannte Dual-Asphärische Elemente bestehen aus zwei unterschiedlichen Materialien, die jeweils einen anderen Brechungsindex besitzen. Eine Kombination solcher Linsen korrigieren dann nicht nur die Randstrahlen, sondern sind auch in der Lage, längere Wellenlängen, wie sie im IR-Licht vorhanden sind, auf einen Punkt zu bringen. Das Objektiv ist in diesem Fall IR-korrigiert und es kommt nicht mehr zu einer Fokusverschiebung auf dem CCD Sensor. Solche Objektive sind aber nicht nur für IR-Anwendungen zu empfehlen. Auch bei der Videoüberwachung im Innenbereich ist der Einsatz solcher Objektive sinnvoll, da im Kunstlicht, ganz besonders bei Halogenlicht, der IR-Anteil bis zu 90 Prozent beträgt.

Farbfehler oder chromatische Aberrationen werden ähnlich minimiert. Sogenannte LD Gläser (Low Dispersion) sorgen dafür, dass die Wellenlängen der unterschiedlichen Farben weitestgehend im gleichen Winkel gebrochen werden und punktgenau auf den Sensor treffen. Ein weiterer Schlüssel für eine hochwertige Optik ist das Gehäuse. Ein Vario-Objektiv sollte über die gesamten Brennweiten eine möglichst gleich bleibende hohe Qualität aufweisen. Die Abstände der einzelnen Linsenelemente bewegen sich jedoch mit jeder Änderung der Brennweite. Die Anordnung der Elemente/Gruppen muss dennoch exakt aufeinander abgestimmt sein. Wenige Mikrometer Abweichung
führen zu groben Unschärfen. Hohe äußere Temperaturschwankungen müssen ebenfalls ausgeglichen werden.

Der Einfluss der Beschichtungen  ist daher nicht zu unterschätzen. In einem direkten Vergleich zweier Datenblätter wird man häufig keine großen Unterschiede zwischen zwei Optiken erkennen. Leider sagen die Spezifikationen selten etwas über die tatsächliche Qualität aus. Selbst Auflösungsangaben wie fünf Megapixel sind keine Garantie, höchstens ein Hinweis, da es keine Normen für solche Angaben gibt. Einzig die Werte einer MTF-Kurve geben einen Hinweis auf die tatsächliche Auflösung. Diese Angabe ist allerdings besonders in der Videoüberwachung selten zu finden.

Ein weiteres häufig nicht beachtetes Thema ist die Vergütung. Die Beschichtungen der einzelnen Linsen haben einen sehr großen Einfluss auf die Abbildungsleistung, besonders in schwierigen Lichtsituationen. Zum Beispiel das direkte Gegenlicht: Im Idealfall sollen die Lichtstrahlen nur in eine Richtung durch das Objektiv geleitet werden. Glas hat aber die Eigenschaft, auftreffende Strahlen zu reflektieren, und somit kann es bei einer minderwertigen Beschichtung zu starken Reflexionen innerhalb des Linsensystems kommen. Woher weiß man aber, welche Qualität man von einem Objektiv erwarten kann? Wie schon erwähnt, sind die Megapixel-Angaben und die Spezifikationen nur ein Hinweis. Die wirkliche Perfomance ist leider nur durch entsprechende Tests zu ermitteln.

Ein weiterer Indikator ist aber auch der Preis. Hersteller versuchen, sich immer aggressiver gegenseitig zu unterbieten. Dass dieser Kampf aber langfristig zu minderer Qualität führt, ist nur die logische Folge, denn Spitzenprodukte erfordern viel Know-How und hochwertige Materialien.

Welches Objektiv auch immer gewählt wird, es ist immer das erste Element in der Kette der Bildgebung. Und Detailinformationen, die hier verloren gehen, werden durch keinen Sensor zurückgewonnen.